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Wayss & Freytag Ingenieurbau AG

BIM auf der Überholspur: Ausbau der Havellandautobahn

 

Das Wichtigste in Kürze

Die Autobahn A 10/A 24 zwischen dem Dreieck Pankow und der Anschlussstelle Neuruppin – die Havellandautobahn – ist eine wichtige und stark befahrene transeuropäische Verkehrsachse. Mittlerweile ist die DDR-Autobahn aus den 1970er Jahren in die Jahre gekommen und wird über mehrere Etappen und Bauabschnitte grundhaft erneuert und ausgebaut. Dazu gehört auch das Projekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/A 24“. Ein Pilotprojekt in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) zur erstmaligen Integration des BIM-Ansatzes — von der Planung über die Ausführung bis hin zur Erhaltung.

BESONDERHEIT

Ausbau bei laufendem Betrieb, BIM über den gesamten Lebenszyklus – von der Planung über Bauausführung bis zum Betrieb und Instandhaltung.

Projekt

Verfügbarkeitsmodell A 10/A 24; Havellandautobahn

Projektgesellschaft

Havellandautobahn GmbH & Co. KG

BauARGE

Wayss & Freytag Ingenieurbau AG und HABAU Hoch- und Tiefbau GmbH.

Investitionsvolumen

ca. 1,4 Milliarden Euro

Fertigstellung

Ende 2022

 

 

 

Betriebs- und Erhaltungsgesellschaft

Havellandautobahn Services GmbH & Co. KG

 

 

 

 

Open BIM für die Havellandautobahn

Die Autobahn A 10/A 24, auch Havellandautobahn genannt, ist die Hauptverkehrsader zwischen Berlin und Hamburg. Die Infrastruktur auf der gesamten Strecke kann mit dem wachsenden Verkehrsaufkommen nicht mehr mithalten und der Fahrbahnbelag ist in die Jahre gekommen.

In weniger als fünf Jahren soll die A10 nun bei laufendem Betrieb sechsstreifig ausgebaut und modernisiert werden, während die A24 wird grundhaft erneuert wird. Auftraggeber sind der Bund und das Land Brandenburg, vertreten durch die DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH. Im Rahmen seiner Digitalisierungsstrategie macht der Bund BIM bis 2020 zum neuen Standard für Verkehrsinfrastrukturprojekte. Ein Teil der Strecke gehört zu den BIM-Pilotprojekten im Rahmen des Stufenplans 2020.

 

BILD 1

Diese Teilstrecke der Havellandautobahn ist das erste Projekt, bei dem Planung, Ausführung und Erhaltung mit BIM aus einer Hand erfolgen. Das Bauunternehmen Wayss & Freytag, eine Tochter der Royal BAM Group, bildet gemeinsam mit HABAU Hoch- und Tiefbaugesellschaft die Bau-ARGE und ist für sämtliche Planungs- und Bauleistungen verantwortlich.

Die BIM-Vertragsstrecke umfasst einen 5,5 Kilometer langen Abschnitt. Hier wird die A 24 grundhaft erneuert und zwischen der Anschlussstelle Fehrbellin und Kremmen an einigen Stellen um einen Standstreifen erweitert, der sich verkehrsabhängig in Betrieb nehmen lässt. Der Bauabschnitt beinhaltet zwei Tank- und Rastanlagen, zwei Verkehrszeichenkragarme, ein Ersatzneubau eines Brückenbauwerks, eine Lärmschutzwand und Wildschutzzäune entlang der Strecke.

Praxistipp

Da die Käufer von Wohnhäusern meist architektonische Laien sind, empfiehlt sich der Einsatz von VR-Brillen. Der Architekt muss dann keine Pläne mehr erklären, sondern führt virtuell durch das zukünftige Haus.

 

„Das Projekt war eine technische Herausforderung. Wir mussten jeden Zentimeter ausnutzen, um alle Anforderungen zu erfüllen.“ - Dominik Börrnert, Verantwortlicher Digitale Planung, Hunziker Betatech AG

Dominik Börrnert
Verantwortlicher Digitale Planung, Hunziker Betatech AG

 

Die Herausforderung: Schnittstellen und Datenqualität

In einem Projekt dieser Größenordnung sind nicht nur viele Fachplanungen beteiligt, wie z.B. Brückenplaner, Streckenplaner, und Betriebstechnikplaner. Sondern es kommen auch unterschiedliche Softwareprogramme und -systeme zum Einsatz, die ein hohes Maß an Interoperabilität erfordern. Hier gilt es für alle Beteiligten, einen gemeinsamen Standard zu entwickeln, den es in Deutschland so noch nicht gibt.

Das gilt nicht nur für die Planungsphase. Als BIM-Pilotprojekt auf Bundesebene wurde die Umsetzung von BIM-Anwendungsfällen vertraglich auf die Betriebs- und Erhaltungsphase von 30 Jahren festgelegt. 

„Das ist herausfordernd und spannend zugleich, weil wir die Daten, die wir bei Planung und Bau sammeln, später für die Erhaltung nutzen und dafür vorab Datenstandards definieren müssen um die notwendige Datenqualität zu sichern,“ beschreibt Daniel Krause, Leiter Digital Construction bei Wayss & Freytag die größte Herausforderung bei dem Projekt.

 

„Ohne digitale 3D-Planungstools hätte sich dieses Projekt nicht realisieren lassen.“ - Dominik Börrnert, Verantwortlicher Digitale Planung, Hunziker Betatech AG

Dominik Börrnert
Verantwortlicher Digitale Planung, Hunziker Betatech AG

 

Die Lösung: Digitalisierung reduziert Risiken

Die Ingenieure von Wayss & Freytag haben eine klare Strategie, um diese Herausforderungen zu meistern, so Krause: „Unsere Vision ist es, uns von einem Bauunternehmen zu einem Unternehmen zu transformieren, das digitale Daten über die gesamte Wertschöpfungskette einsetzt, auswertet und verwaltet."

Durch den Einsatz von BIM entsteht eine singuläre Datenquelle im Prinzip einer „Single Source of Truth“. Das reduziert nicht nur die Anzahl unterschiedlicher Informationsquellen, sondern führt außerdem zu weniger Komplikationen, kürzeren Durchlaufzeiten, gesteigerter Produktivität, besserer Zusammenarbeit, höherer Qualität und niedrigeren Kosten.

Das innovative Unternehmen geht sogar noch einen Schritt weiter: „Digitalisierung geht für uns über den BIM-Stufenplan hinaus. Es bedeutet auch, Prozesse über die gesamte Wertschöpfungskette zu modernisieren. Also überall dort, wo früher mit Formularen und Ausdrucken gearbeitet wurde. Auf der Baustelle, in der Angebotsstellung und bei allem was wir tun, sollen digitale Tools die Prozesse verbessern, erleichtern, Risiken reduzieren, effizienter zu arbeiten," erklärt Krause.

Eine vertragliche Anforderung im BIM-Pilotprojekt war die Nutzung der offenen Dateiformate *.ifc, ersatzweise auch *.cpixml.

„Hier hat uns die Exportfunktion von Autodesk geholfen, die Daten vom Autorenprogramm so zu übergeben, dass wir sie auch in unserer Koordinationssoftware weiterverarbeiten können,“ erzählt Thomas Tschickardt, Digital Construction Manager bei Wayss & Freytag Ingenieurbau AG.

 

„Über 300 Koordinationsaufgaben konnten wir durch die Kollaboration mit BIM 360 gemeinsam lösen. Ein Teil davon wäre wohl sonst erst während der Bauphase sichtbar geworden.“ - Dominik Börrnert, Verantwortlicher Digitale Planung, Hunziker Betatech AG

Dominik Börrnert
Verantwortlicher Digitale Planung, Hunziker Betatech AG

 

Die Umsetzung: konsequent digital

Für das Projektteam sei Autodesk hier ein guter Partner gewesen: „Autodesk deckt mit seinen Produkten fast die komplette Wertschöpfungskette ab und gewährleistet die Interoperabilität der Produkte. Aber auch Schnittstellen zu anderen Produkten sind möglich und gut gelöst“, so Tschickardt.

Für die Digitalisierung von Bau-Management-Prozessen kommt die Plattform BIM 360 zum Einsatz. Sie soll künftig in allen Projekten standardmäßig papierbasierte Prozesse ablösen und digital und mobil in der Cloud zur Verfügung stehen.

In Civil 3D wurde das Umgebungsmodell, der Erdbau, der Baugrund inklusive Bodenschichten und Grundwasserstand, Interimsmaßnahmen der Strecke, Anlagenteile der Temporären Seitenstreifenfreigabe, Landschaftsbau und das digitale Geländemodell aufgebaut. Das 3D-Modell diente als Basis für die Entwicklung der projektspezifischen Anwendungsfälle und wurde von allen Gewerken mit geometrischen, topographischen und alphanumerischen Informationen angereichert.

Die Wildschutzzäune, die entlang der Autobahn laufen, wurden prototypisch an einem Bereich mit der Hand modelliert und dann mit Dynamo übersetzt, um die komplette restliche BIM-Strecke in kürzester Zeit automatisiert erstellen zu können. Eine enorme Zeitersparnis für das Team.

Für die Brücken setzte das Team Autodesk Revit in Verbindung mit Dynamo ein, um alle Betonbauteile und Ausstattungselemente zu bearbeiten. Frühzeitig ließ sich so die projektkritische Schnittstelle Brücke / Strecke identifizieren. Für den Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern helfen die Visualisierungen mit 3ds Max.

Die erstmalige Planung, Ausführung und Erhaltung dieser Teilstrecke mit BIM wurde durch weitere Informationen wie Zeit (4D) oder Kosten (5D) in BIM 360 ergänzt, um eine schnelle Informationserfassung, Datenverwaltung sowie transparente Kommunikation zu ermöglichen. Abstimmungsprobleme lassen sich so frühzeitig lösen. Das Risiko von Planungsfehlern wird minimiert und die Termin- und Kostenplanung verbessert.

Der Betrieb wird dann mit dem Modell verknüpft, um den Bauprozess zu simulieren und visualisieren zu können. Auf der Baustelle lassen sich diese Visualisierungen als Tool oder als Hilfsmittel für Bau- und Planungsbesprechungen und für Abstimmungen mit dem Auftraggeber oder den beteiligten Gewerken nutzen.

 

Interoperabilität optimiert den Bauablauf

Ein Beispiel aus der Praxis: Durch die Betrachtung des Projekts über den gesamten Lebenszyklus hinweg, nahm ein Bauleiter an den Planungsbesprechungen teil und lieferte seinen Input zu den benötigten Baumaschinen. Dadurch konnte vorzeitig geklärt werden, dass die Einbringung der geplanten Spundwand eine andere Baumaschine erfordert als geplant. Dank des gemeinsamen Modells, das alle Daten miteinander verknüpft, wurde dieser Irrtum schon vor Baubeginn erkannt und vermeidbare Kosten gespart.

 

Der Polier nutzt dieses Modell später auch auf der Baustelle. Er pflegt die Ist-Daten vom Terminplan und die Ist-Mengen direkt von der Baustelle ein. Diese laufen wieder in den Bautagesbericht zurück oder zum Controlling der Ingenieure. Der klassische Anwendungsfall 5D. Alle Daten aus der Planung werden durch zusätzliche Daten aus der Bauausführung angereichert. So ergibt sich ein echter 360-Grad-Blick auf das gesamte Projekt, der den Bauablauf optimiert.

Das erlebte auch Thomas Tschickardt, Digital Construction Manager bei Wayss & Freytag: „Wir glauben, dass unsere Arbeit effizienter geworden ist, bei hoher Qualität und projektübergreifend die Risiken gemindert sind.“

Die Basis dafür bildet die Autodesk Lösung BIM 360, die digitales Mängelmanagement sowie die Verfügbarkeit von digitalen Plänen für Bauleiter immer aktuell auf dem Tablet möglich macht.

 

Zusammenfassung

1Datenaustausch und Interoperabilität wird über die komplette Wertschöpfungskette gewährleistet.

2Mit BIM 360 werden Risiken deutlich minimiert, Verzögerungen sichtbar und eine höhere Kostentransparenz erzielt.

3Mängel werden um das 5- bis 8-fache schneller beseitigt.

 

Das Ergebnis: erfolgreicher BIM-Pilot im Verkehrswegebau

Die Strategie von Wayss & Freytag Ingenieurbau AG geht auf. Auf dem Weg von einem reinen Bauunternehmen zu einem datengetriebenen Unternehmen, gelang es, im Projekt „Verfügbarkeitsmodell A 10/A 24“ einen erfolgreichen Anwendungsfall von BIM über den kompletten Lebenszyklus hinweg erfolgreich zu modellieren.

Dank des Koordinationsmodells ließ sich der Bauablauf des „Verfügbarkeitsmodell A 10/A 24“ schon in der Planungsphase darstellen.

„Wir bauen, bevor wir bauen,“ beschreibt es Tschickardt. Fehler in den Planungen und im Bauablauf lassen sich dadurch frühzeitig identifizieren und beheben.

Den Mehrwert beschreibt das Team von Wayss & Freytag aktuell vor allem qualitativ: „BIM 360 für die Gesamtstrecke ist ein hoher Wert für das gesamte Team. Planungsbesprechungen lassen sich mit 3D ganz anders darstellen,“ so Tschickardt. „Vor allem für die BIM-Vertragsstrecke werden Risiken deutlich minimiert, wir haben komplette Kostentransparenz und sehen, wie sich Verzögerungen auswirken. Wir stellen durch die 4D-Modelle nicht erst auf der Baustelle fest, dass eine Leitung unter der Erde läuft und wir so nicht bauen können.“

Die quantitativen Vorteile von BIM zeigen sich bereits im Mängelmanagement. Traditionell wurde das über Excel-Listen und Fotos bewerkstelligt, die per Mail verschickt wurden. Durch die cloudbasierte Lösung schaffen es die Bauleiter um ein Vielfaches schneller das 5- bis 8-fache der Mängel zu beseitigen.

Von der Planungsphase, über den Bau, bis hin zur Erhaltung wurde durch Open BIM und den Einsatz von digitalen Lösungen, das Pilotprojekt im Verkehrswegebau zur Erfolgsgeschichte.

„Wir merken das steigende Interesse, sich mit BIM im Verkehrswegebau über den ganzen Lebenszyklus hinweg auseinanderzusetzen, deutlich", so Krause. „In diesem Projekt haben wir mit den Daten und Standards, die wir entwickelt haben, eine wichtige Grundlage geschaffen. Der Kulturwandel in unserer Branche hat begonnen.“

 

„Ich kenne aus meiner Ausbildung noch die Zeit, in der man mit Tusche und Rasierklinge über Pergamentplänen saß. In der heutigen digitalen Welt ist das unvorstellbar.“

Sebastian Doppelhammer
Geschäftsführer co.mod Architekten

Autodesk-Produkte